Ursula Evers zum Thema: Schneller, höher, stärker (citius, altius, fortius)
Sehr gerne schaue ich im Fernsehen die Leichtathletikwettkämpfe an, die jedes Jahr stattfinden. Dabei geht mir vermehrt ein Gedanke durch den Kopf: es ist doch nicht möglich, immer schneller zu laufen, immer höher zu springen und die Kugel immer weiter zu werfen. Irgendwann muss eine Grenze des Machbaren erreicht sein. Die Leistungen, die bei der Tour de France erreicht werden, sind unmöglich, wenn die Sportler nicht zu Mitteln greifen, die das Unmögliche möglich machen.
Wir sind umgeben von Superlativen: wer trägt die modernste Kleidung, die Schuhe der teuersten Marke, die supergeilsten Turnschuhe? Mit diesen Fragen beschäftigen sich auch schon Kinder und strapazieren die Nerven der Eltern. Wer soll dass alles bezahlen, was die Kids fordern? Selbst wenn die Eltern viel Geld verdienen, lehnen sie häufig aus pädagogischen Gründen die Wünsche der habgierigen Kinder ab. Lieber suchen sie das Gespräch mit den Heranwachsenden, aber der Druck der Gleichaltrigen ist größer als die Mühe der Eltern. Schneller, höher, stärker- das sind die Adjektive, die das Leben vieler Menschen lebenswert erscheinen lassen: immer schnellere Autos, immer höheres Verdienst, immer stärkeres Durchsetzungsvermögen , denn niemand hat mir etwas zu sagen.
Viele Schüler wollen möglichst schnell eine Stelle bekommen, in der man am meisten Geld verdient. Häufig setzen sie die Ellbogen ein, um für sich das Beste herauszuholen.
Schneller, höher stärker, das ist das Motto der Olympischen Spiele. Das klassische Motto stellte den Wettbewerb und den Siegeswillen in den Vordergrund, heute heißt es: „Dabei sein ist alles.“ Dieses Motto kommt auch den behinderten Sportlern entgegen, die auf Grund ihrer Behinderung nicht wettbewerbsfähig sind, wohl aber Freude am Mitmachen haben und ihr Bestes geben. Vor kurzem las ich in einer Lokalzeitung einen Bericht über Behindertensportler, in dem es hieß: „Wenn man die Lebensfreude dieser Sportler sieht, wird man als vermeintlich normaler Mensch schon fast beschämt. Sie zeigen, dass das Leben noch andere Werte zu geben hat als das Streben nach „schneller, höher, stärker“. Was die behinderten Sportler leisten, ist 1 000 Mal mehr wert als die Leistung eines Profis.“
Die Topkraft von Morgen muss leistungsorientiert sein. Aber die Eltern sollten ihre Erwartungshaltungen herunterschrauben und den Kindern Inseln der Ruhe gönnen, in denen sie Werte kennenlernen, die das Leben auf Dauer lebenswert machen.
Ich wünsche Ihnen Augenblicke der Ruhe, um neue Kräfte zu sammeln.
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