Liebe Hörerinnen und Hörer!
Jeden Morgen wenn ich aufwache, freue ich mich über den neuen Tag, Meine Aufgabe ist es, ihn zu gestalten mit all meinen Talenten. Ich nehme mir vor, nicht neidisch auf die Fähigkeiten der anderen zu schauen, aber immer wieder ertappe ich mich bei dem Gedanken, jemand anderes sein zu wollen. Wenn ich doch wäre wie meine Kollegin, die alles so leicht nimmt. Warum konnte ich nicht meinen Traumberuf erlernen wie meine Freundin? Warum habe ich es nicht geschafft, eine gute Geigerin zu werden wie drei meiner Klassenkameradinnen? Oft habe ich erlebt, dass Neid unzufrieden macht und mich lähmt, die Begeisterung, meinen Tag frei zu gestalten, fehlt. Die ständigen „Warum-Fragen“ belasten mich und hindern mich daran, den Tag als Geschenk anzunehmen. Ich könnte sie loslassen, einfach nur so fallenlassen wie einen Stein, ohne den Gedanken aufkommen zu lassen, bei der nächsten Gelegenheit dieses Wurfgeschoss wieder aufzunehmen, um mich an meinen Warumfragen festzuhalten. Da fällt mir die jüdische Geschichte ein mit dem Titel: “Warum bist du nicht Sussja gewesen?“ Sie handelt von einem Rabbiner mit dem Namen Sussja. Er sagt: „Am Ende meines Lebens, wenn ich einmal im Jenseits ankomme, wird man mich nicht fragen:’ Warum bist du nicht Moses gewesen?’ Man wird mich fragen: ‚Warum bist du nicht Sussja gewesen? Sussja, nicht mehr, aber auch nicht weniger. “Wir müssen lernen, dankbar zu sein für die Fähigkeiten, die wir haben und daraus das Beste zu machen. Die Warumfragen nehmen keinen Platz mehr ein, stattdessen möchte ich immer mehr erkennen, wie und von wem ich gebraucht werden kann. Das ist sehr schwer, denn es passiert mir von Zeit zu Zeit, dass ich zu viel mit mir selbst beschäftigt bin und doch wieder ein kleiner Stein in meiner Hand liegt mit der Frage: „Will ich ihn überhaupt loswerden? Warum sind meine Wünsche so wenig in Erfüllung gegangen?“
Ich brauche die Unterstützung eines Gebetes, das folgendermaßen lauten könnte:
Herr, du hast mich mit vielen Fähigkeiten ausgestattet.
Lass mich erkennen, wer mich braucht, mein ruhiges Wort im Gespräch, beim Erzählen und Vorlesen, meine Geduld, meinen Rat, meine Hilfe, meine Tatkraft, meine Phantasie. Lass mich nicht vorübergehen an denen, die auf mich warten, weil meine Sorgen mich blind machen. Ich möchte dankbar für meine vielfältigen Talente sein und sie froh weiterschenken.
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, die Kunst eines erfüllten Lebens ist die Kunst des Loslassens. Ich wünsche Ihnen, heute ein bisschen von dieser Kunst zu
lernen.
"Wort in den Tag" wird von einer Gruppe ehrenamtlicher Autoren erstellt.
Die dargestellten Inhalte spiegeln nicht die Meinung des BRF wider.