Liebe Hörerinnen und Hörer,
Karl Lagerfeld. Zwischen 74 und 79 Jahre alt. Silberner Pferdeschwanz. Schwarze Brille. Weißer „Vatermörderkragen“. Lederhandschuhe. Topmodels zur linken und zur rechten. Stylist mit eigener Marke. Photograph. Filmemacher. Buchhandelbesitzer mit eigenem Verlag und vieles mehr. Ein Genie also, ein Superheld.
Und ich? Warum kann ich mich nicht an seinem Erfolg erfreuen? Bin ich neidisch? Dem muss ich auf die Spur gehen. Das trifft sich gut. Gerade diese Woche bringt meine Lieblingswochenzeitschrift ein fünfseitiges Interview mit Karl Lagerfeld. Ich lese. Und was ich schon wusste, bestätigt sich: Alles, was Karl Lagerfeld anfasst, verwandelt sich zu Gold. Seine Kreativität und Leichtigkeit scheint von niemandem in der Branche übertrumpft zu werden. Seine Mitarbeiterinnen - mit Männern spricht er nicht gerne über Mode - schwärmen von ihm. In seinen Ateliers herrscht Arbeitswut und Schaffensfreude.
Und da: im letzten Abschnitt finde ich ihn, den Kieselstein des Anstoßes. Herr Lagerfeld erzählt, dass seine Mutter seinen 90-jährigen Vater berechtigterweise zurechtwies, als dieser im Morgenmantel am Frühstückstisch erschien. Sie fragte ihn, ob seine negligierte Kleidungsweise zum Ausdruck bringt, dass es Zeit sei, ins Altenheim zu ziehen.
Und ich frage Sie: „Wie bitte, meine Herren, Sie sitzen nicht vor ihrem Kaffee am Frühstückstisch in ihrem Morgenmantel, aus Seide versteht sich, mit dem passenden Halstuch, das das Blau ihrer Augen besonders schön hervorhebt. Und sie meine Damen, sie haben sich heute Morgen nicht ihr enges kleines Schwarzes mit den passenden Schuhen angezogen. Schließlich wollten sie doch etwas im Garten arbeiten und das Haus putzen?“
Übrigens ich trinke gerne noch eine Tasse Tee. Ich trinke ihn einfach, natur, ohne den Löffel lagerfeldischen Perfektionismus, aber bitte mit einem Hauch Menschlichkeit. Auf dein Wohl Karl.
Und Ihnen, meine lieben Zuhörerinnen und Zuhörer, einen einfachen, schönen Tag.
Wort in den Tag
mit Elvire Wintgens Zum Thema: Karl Lagerfeld und ich