Zum Thema: Der ausgetrocknete Brunnen
Liebe Hörerinnen und Hörer!
Im Winter 2005 hat es im deutschen Münsterland ein verheerendes Unwetter mit Schnee und Orkan gegeben. Tausende Menschen, ganze Ortschaften blieben fast eine Woche lang ohne Strom. Da kam in Gesprächen der Betroffenen die Frage auf: Was ist schlimmer - kein Wasser aus der Leitung oder kein Strom aus der Steckdose? Einige meinten, es gäbe ja noch Brunnen auf den Bauernhöfen z. B. Von einem Bauern wird berichtet, er habe bei der Überprüfung seines Brunnens zu seinem Erstaunen festgestellt, dass er ausgetrocknet war. Wie konnte so etwas passieren? Die Erklärung ist ganz einfach darin zu suchen, dass, so lange der Brunnen benutzt wird, die kleinen Bäche, die das Wasser zum Brunnen bringen, nicht versiegen. Seit dem Anschluss an die Wasserleitung hatte der Bauer den Brunnen nicht mehr benutzt. Deshalb stand er jetzt vor einem ausgetrockneten Brunnen.
Diese Geschichte wiederholt sich in vielen Bereichen. Denken wir z. B. an erschlaffte und verkümmerte Muskeln. Durch regelmäßigen Gebrauch von Kräften entstehen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Ich denke da spontan an Musiker, an Sportler, an Handwerker, an Arbeiter und Angestellte.
Ich stoße noch etwas weiter vor, und zwar in den Bereich der Religion, des Glaubens. Nicht selten sagen Leute, dass der Glaube sie nicht mehr interessiere. Glaube ist nicht wie das Atmen, das Schlafen und Essen. Wenn wir diese Grundbedürfnisse des Körpers vernachlässigen oder gar stoppen, ist der Tod die unausweichliche Folge. Glauben hingegen muss ich wollen, den muss ich betätigen, sonst trocknet er aus, und das Glaubensleben wird zur Wüste. Erich Läufer sagt: Wenn man z. B. regelmäßig betet, bildet sich eine Art Grundwasser von guter Gewohnheit, aus dem man mit Leichtigkeit schöpfen kann. - Alles hängt wohl davon ab, wie viel mir der Glaube bedeutet und wert ist. Mein Glaube wird mir nur dann ein Leben spendender Quell sein, wenn ich nicht beliebig, nach Lust und Laune mit ihm umgehe, sondern wenn ich eine gut gewartete Leitung zur Quelle habe. Je mehr ich diese Quelle anzapfe, je reicher wird sie geben und fließen.
(nach E. Läufer, Der ausgetrocknete Brunnen, Kath. Morgenfeier im WDR, 27. Januar 2006)