zum Thema: Ferien, Urlaub, freie Zeit
Liebe Hörerinnen und Hörer!
Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, denn für viele ist der letzte Junitag fast wie Silvester. Ein Schuljahr geht offiziell zu Ende, die Arbeiter und Angestellten sehen sich bereits in Urlaub, viele von uns denken an Reisen und freie Zeit, denn Juli und August sind Ferien- und Urlaubsmonate. Überall scheint die Welt etwas langsamer und ruhiger zu drehen. Wie oft hört man nicht die Bemerkung: In diesen Monaten kannst du nicht viel erwarten von Fabriken und Verwaltungen, da viele Mitarbeiter einfach nicht da sind - wegen Urlaub.
Wir leben in einer stressigen Zeit. Vor 50 Jahren gab es das Wort Stress noch nicht. Heute ist es eines der häufig gebrauchten Wörter. Wenn das Wort damals nicht bestand oder bekannt war, weist dies doch darauf hin, dass es den Stress in der heutigen Form auch nicht gab.
Ohne Urlaub würden manche den ihnen auferlegten Arbeitsrhythmus nicht aushalten. Ohne Urlaub würden die Familien noch mehr zerbrechen. Ohne Urlaub würden viele Menschen krank werden. Das meine ich sagen zu dürfen. Dennoch möchte ich es nicht bei dieser Beobachtung belassen.
Urlaub bedeutet freie Zeit, bedeutet arbeitsfreie Zeit - raus aus dem Betrieb, aus dem Büro. Was ist denn anders geworden seit 100 Jahren? Ich würde meinen, dass unsere Beziehung zur Arbeit sich sehr verändert hat und noch verändert. Insbesondere seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hat die Berufsarbeit, insbesondere in den Fabriken, einen Bedeutungswandel gekannt. Viele Arbeiter und vielleicht auch Angestellte führen eine Arbeit aus, ohne wirklich zu wissen, wozu sie dient. Früher gab es den Stolz der Handwerker und Arbeiter: sie freuten sich über das Produkt ihrer Arbeit - müsste man nicht eher sagen: über die Frucht ihrer Arbeit?
Wenn ich nur ein Rädchen in einem Produktionsablauf bin, verlieren sich diese Freude und dieser Stolz. Ob unsere Welt so weiterdrehen kann, wie dies zur Zeit der Fall ist, ohne durchzudrehen, ohne die Frage nach dem Sinn der Arbeit und dem Sinn des Lebens zu stellen - ich glaube es nicht. Deshalb wünsche ich allen eine gute, gesegnete freie Zeit.