zum Thema: Der Windvogel
Der kleine, bunte Drachen stieg hoch hinauf in den Himmel. Auf einmal hörte er einen mürrischen Schrei. ?He, du Tollpatsch, pass doch auf, wohin du fliegst?, schimpfte eine kleine weiße Wolke, mit der der Drachen zusammengestoßen war. ?Hoppla, Entschuldigung?, rief der Drachen, ?aber ich bin so glücklich, dass ich dich gar nicht gesehen habe.?
?Glücklich?, rief die Wolke immer noch beleidigt, ?wie kannst du glücklich sein?? ?Wie?, fragte der Drachen verwundert zurück, ?warum ich glücklich bin? Das fragst ausgerechnet du, wo du doch immer hier oben herum fliegen und dir diese schöne Welt anschauen kannst!?
?Schön??, rief die Wolke spöttisch, ?ich sehe auf meinem Weg so viel Hässliches, Böses und Unnützes.? ?Nichts ist unnütz auf der Welt?, meinte der Drachen ernst. ?Doch?, rief die Wolke, ?wozu gibt es die Nacht und die Dunkelheit? Wozu gibt es den Hass und Kriege, und wozu gibt es Wolken?? ?Ach Wolke?, entgegnete der Drachen freundlich, ?sieh die Sache doch mal von einer anderen Seite. Sag mir, was wäre die Sonne ohne den Regen? Was wäre ein Sonnenaufgang am Morgen ohne die Nacht? Die Farben des Regenbogens würden nur halb so hell leuchten ohne die Dunkelheit eines Gewitters. Würde man ohne das Böse das Gute erkennen? Würde man ohne Hass die Liebe schätzen, und würde man sich ohne Kriege um den Frieden bemühen?? Die Wolke hatte nachdenklich zugehört. ?Du meinst also, es muss das Hässliche geben, damit man das Schöne bemerkt.? ?Ja?, sagte der Drachen, ?ich denke, dass es so ist. Ich sehe, du hast es begriffen.?
?Und wozu gibt es mich??, fragte die Wolke den Drachen. ?Sieht der Himmel nicht erst dann wunderschön aus, wenn er voller Wolken hängt, die leise im Wind treiben, sich zusammenballen und wieder auseinander reißen. Mach doch endlich mal deine Augen auf, und sieh dir das Schöne an dieser Erde an! Denn solange man weiß, dass es das Gute, das Schöne und die Liebe gibt, so lange wird man stark genug sein, das Schlechte und Hässliche zu ertragen.?