c heute mit Erwin Heeren.
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,
gerade in den kommenden Wochen wird sich vielen unter uns die Gelegenheit bieten, andere Menschen, Länder und Sitten kennen zu lernen. Während der vergangenen Monate haben wir uns auf diese neuen Erfahrungen gefreut und erfahren sie verstärkt als Bereicherung. Wir können unseren Horizont erweitern, die Gastfreundschaft anderer Menschen schätzen lernen, die uns Erholung und Entspannung ermöglicht. Wir sind bereit von anderen Lebenserfahrungen und Lebensweisen zu lernen. Dabei ist es für uns selbstverständlich, dass uns diese Offenheit von unseren Gastgebern entgegengebracht wird und dass sie uns an ihrer Lebensart teilhaben lassen, von ihr profitieren lassen.
So selbstverständlich unsere Erwartungshaltung in diesem Zusammenhang ist, so schwer tun wir uns oft, wenn es um unsere Gastfreundschaft anderen gegenüber geht. Nicht bei jedem wird die Gastfreundschaft so hochgehalten, wie Anselm Grün es aus seiner Kindheit schildert. Seinem Vater waren andere Menschen stets willkommen. Auch wenn die Mutter nicht immer begeistert war, zu den sieben Kindern noch weitere Gäste aufzunehmen, so war es dem Vater stets wichtig ein gastfreundliches Haus anzubieten, um sich mit den Gästen angeregt unterhalten zu können, ohne Vorurteil, einfach aus Interesse an ihrem Leben. Auch für die Kinder war es interessant, konnten sie doch auf diese Weise schon in jungen Jahren ihren Horizont erweitern. Sie haben die Offenheit, die sie durch ihre Eltern erlernt haben, später weiter gelebt und sie bei vielen Aufenthalten in anderen Ländern selbst immer wieder erfahren dürfen.(1)
Fällt es uns heute nicht immer schwerer, mit solcher Offenheit anderen bei uns zu begegnen? Gleicht unser Verhalten eher dem, was Petrus Ceelen wie folgt beschreibt: „Ich brauche jemanden nur zu sehen - und schon weiß ich über ihn Bescheid. Ich brauche mit jemandem nur ein paar Worte zu wechseln - und schon weiß ich, mit wem ich es zu tun habe. Ich brauche über jemanden nur dieses oder jenes zu hören - und schon weiß ich, was für ein Mensch er ist. (…) Es ist erschreckend, wie schnell ich jemanden zu kennen glaube - und wie lange es dauert, bis ich mein voreiliges Urteil ändere.(2)“
Schnell haben wir andere beurteilt - verurteilt, ohne sie vielleicht überhaupt richtig kennen gelernt zu haben. Und immer wieder hoffen wir, dass die anderen, wenn wir zu ihnen gehen, nicht so vorschnell urteilen.
Gerade die kommenden Wochen, in denen wir Entspannung und neue Erfahrungen suchen, könnten für uns auch eine Gelegenheit sein, von der Offenheit und Gastfreundschaft der anderen zu lernen. Gerade wenn die anderen zu uns kommen, werden wir uns dann vielleicht daran erinnern, was Eugen Roth treffend formuliert:
„Du möchtest gern alleine wandern, doch ständig stören dich die andern.
Auch du bist - das bedenke heiter - ein andrer anderer und nichts weiter.(3)“
In diesem Sinne wünsche ich uns viele schöne Begegnungen mit den Anderen.
(1) Vgl. Anselm Grün, Damit die Welt verwandelt wird (S. 46-55)
(2) Einblicke - Ausblicke, hg. v. W. Koepper/R. Spennhoff (S. 147)
(3) Einblicke - Ausblicke, hg. v. W. Koepper/R. Spennhoff (S. 56)