Heute gesprochen von Aloys Jousten
Liebe Hörerinnen und Hörer! Vor kurzem ist in unserem Bistum ein Karmelkloster geschlossen worden. Die sechs Schwestern der Gemeinschaft sahen sich nicht mehr in der Lage, das Kloster zu erhalten. Mich hat beeindruckt, wie die Schwestern diese Situation angepackt und gemeistert haben. Sie haben nicht gejammert und ein Klagelied über das angestimmt, was hinter ihnen lag, sondern haben mutig und erwartungsvoll nach vorne geschaut. Sie waren bereit, noch in ihrem Alter aufzubrechen und Neuland zu entdecken.
In dem, was ich da von den betagten Schwestern berichten durfte, steckt eine Lebensweisheit. Das Leben eines jeden Menschen verlangt immer wieder, dass er loslässt und auf Neues zugeht, für Neues empfänglich ist. Ohne solches Loslassen dreht das Leben im Kreis und stirbt ab. Zumindest verliert es so viel von seiner Lebendigkeit und von seinem möglichen Reichtum.
Das Loslassen ist eine schwierige Aufgabe und Herausforderung. Wir kennen das Sprichwort: Ein Spatz in der Hand ist besser als eine Taube auf dem Dach. Ich halte möglicherweise krampfhaft fest, was ich erworben, verdient oder gar empfangen habe; denn sicher ist sicher. Das Leben ist jedoch kein Turm, in dem ich mich verbarrikadieren soll; es ist kein von einer Mauer beschütztes Terrain. Das Leben ist ein offenes Feld, es ist ein lebendiger Raum, den es zu gestalten gilt und für den ich verantwortlich bin. Das Leben ist kein Wartezimmer, sondern Zeit und Raum voller Erwartungen. Der Mensch möchte darin seine Entfaltung finden. Das ist nur möglich, wenn ich es wage, Risiken einzugehen, also loszulassen, und wenn ich gleichzeitig keine Angst vor Misserfolg und Rückschlägen habe. Gern mache ich mir das Gebet der Antialkoholiker, der AA, zu eigen: Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Ja, liebe Hörerinnen und Hörer, das Leben ist ein Kampf, der Mut, Ausdauer, Geduld, Gelassenheit verlangt. Kurz gesagt: loslassen und erwarten.