Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,
Ein Seifenfabrikant sagt zu einem Christen: „Das Christentum hat nichts erreicht. Obwohl es schon bald 2000 Jahre gepredigt wird, ist die Welt nicht besser geworden. Es gibt immer noch Böses und böse Menschen!"
Der andere zeigt auf ein ungewöhnlich schmutziges Kind, das am Straßenrand im Dreck spielt, und bemerkt: „Seife hat nichts erreicht. Es gibt immer noch Schmutz und schmutzige Menschen in der Welt!"
„Seife", entgegnet der Fabrikant, „nützt natürlich nur, wenn sie angewendet wird."
Darauf der andere: „Christsein auch."
Wenn eine Seife in der Verpackung bleibt und nicht an die Frau oder an den Mann kommt, bleibt sie wirkungslos. Wenn Christen nichts rauslassen von ihrem Glauben, dann bleibt der Glaube auch wirkungslos.
„Ihr seid das Salz der Erde", sagt Jesus im morgigen Evangelium. Ihr habt die Möglichkeit, die Leute auf den Geschmack zu bringen, was erfülltes Leben sein kann.
„Ihr seid das Licht der Welt", sagt Jesus. Ihr könnt das Dunkel mancher Trauer und Einsamkeit aufhellen. Ihr könnt in eine kalte Welt ein Klima der Herzlichkeit, Wärme und Geborgenheit bringen.
Warum - so frage ich, wenn ich mir das derzeitige Erscheinungsbild der Kirche vergegenwärtige - warum gibt es so viele Verpackungskünstler, die die Botschaft des Evangeliums einpacken in eine Hülle von Vorschriften und Gesetzen; die die Glaubensfreude einwickeln in ein steifes, humorloses Lamentieren und Besserwissen; die aus Angst, etwas falsch zu machen, Begeisterung und Lebendigkeit unterdrücken?
Eine kleine Prise Salz genügt schon - zu viel würde alles ungenießbar machen: eine Spur meiner Lebensfreude und Begeisterung, damit andere Geschmack finden am Leben.
Ein kleines Licht genügt schon - zu viel würde blenden: kleiner Hoffnungsschimmer für andere durch mein stilles hören, mein aufmunterndes Wort, meinen Besuch, meine Hilfsbereitschaft.
(Ideen aus Wolfgang Raible, Predigten für die Sonn- und Feiertage im Lesejahr A, Herder-Verlag, 2010)