Heilige Familie
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,
„Das Kind wuchs heran“, hören im Evangelium am Fest der Heiligen Familie, das in diesem Jahr auf diesen Donnerstag fällt..
Auf die Frage, wie schon etwas Paradies auf Erden und in den Familien möglich wird, antwortet der Talmud, das ist so eine Art jüdisches Lehrbuch: „Drei Dinge führen zum Paradies: die Sonne, der Sabbat und die Umarmung.“
Es lohnt sich, diese drei Tipps etwas näher zu betrachten.
Zur Familie gehört die Sonne. Wie schön, wenn Eltern zu ihrem Kind sagen: „Du bist unser Sonnenschein!“ Zum Sonnenstrahl kann jeder in der Familie werden: So eine 75-jährige Oma, schon bettlägerig. Sie wurde zu einem Engel, von dem Wärme ausging: Sie hörte aufmerksam zu, schenkte Trost und manch guten Rat aus der Erfahrung ihres Lebens heraus und teilte liebenswürdig vom Frieden ihres Herzens mit.
Eine Familie braucht den Sabbat. Das heißt für uns Christen natürlich: den Sonntag. Wenn sich eine Familie nicht einmal am Tag um den Tisch einfindet, dann geht langsam das Gefühl für die Zusammengehörigkeit verloren. Zeit für den Austausch, für die Nähe, für gegenseitige Freude, für etwas mehr Ruhe und Besinnung. Toll, wenn dann auch das Aufschauen zu Gott möglich wird, besonders in der Gemeinschaft derer, in die man getauft wurde.
Und die Familie braucht die Umarmung. Ich meine nicht die flüchtige Umarmung bei einer Begrüßung, wo jeder jeden umarmt, Küsschen hier und Küsschen da. In der richtigen Umarmung wird die Nestwärme spürbar. In einer chassidischen Erzählung brachte ein Vater seinen schwierigen Sohn zu einem weisen Mann und klagte: „Mein Junge ist nervig und ungehörig. Wir sind mit unserer Weisheit am Ende.“ „Lass ihn eine Weile hier“, meinte der Mann. Als er mit dem Kind allein war, drückte er es voller Zärtlichkeit schweigend an sich. Er nahm ihn in seine Arme, bis der Vater zurückkam. Später erzählte das Kind: „Damals habe ich gelernt, wie man einen Menschen bekehrt.“ Wenn eine Familie ab und zu etwas Paradies erleben will, braucht sie Sonne, den Sabbat und die Umarmung!
(Gedanken aus Wolfgang Raible, 100 Kurzansprachen, Herder, 2009)