Nur ein Strohhalm
Die Geburt Jesu war geschehen. Die Hirten sind gekommen und dann wieder gegangen. Man könnte sich vorstellen, dass vielleicht einer der Hirten, etwas mitgenommen hat von der Krippe. Hören Sie seine Geschichte. Einer der Hirten hatte einen Strohhalm mitgenommen. Ganz fest hielt er ihn in seiner Hand. Die anderen Hatten erst nichts bemerkt. Bis auf einmal einer sagte: „Was hast du denn da in der Hand?“
„Einen Strohhalm“, sagte der, „einen Strohhalm aus der Krippe, in der das Kind gelegen hat.“
„Einen Strohhalm, “ lachten die anderen, „das ist doch nur Abfall. Wirf das Zeug weg.“
Aber er schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er, „den behalte ich. Für mich ist er ein Zeichen, ein Zeichen für das Kind. Jedes Mal, wenn ich diesen Strohhalm in der Hand halten werde, dann werde ich mich an das Kind erinnern und daran, was die Engel von dem Kind gesagt haben.“
Am nächsten Tag, da fragten die anderen Hirten ihn: „Hast du den Strohhalm immer noch? Ja? Mensch, wirf ihn weg, wertloses Zeug ist das doch.“ Er antwortete: „Nein, das ist nicht wertlos. Das Kind Gottes hat darauf gelegen.“
„Na und?“ lachten die anderen, „das Kind ist wertvoll, doch nicht das Stroh.“
„Ihr habt unrecht“, sagte der Hirte, „das Stroh ist schon wertvoll. Worauf hätte das Kind denn sonst liegen sollen, arm, wie es ist? Nein, mir zeigt das, Gott braucht das Kleine, das Wertlose. Ja, Gott braucht uns, die Kleinen, die gar nicht viel können, nicht viel wert sind!“
Ja, der Strohhalm aus der Krippe, der war dem Hirten wichtig. Wieder und wieder nahm er ihn in die Hand, dachte an die Worte der Engel, freute sich darüber, dass Gott die Menschen so lieb hat, dass er klein wurde wie sie.
Eines Tages aber nahm einer der anderen Hirten den Strohhalm weg und schrie wütend: „Du mit deinem Stroh! Du machst mich ganz verrückt damit!“ und er knickte den Halm wieder und wieder und warf ihn zur Erde.
Der Hirte stand ganz ruhig da, hob den Strohhalm auf, strich ihn wieder glatt und sagte zu dem andern: „Sieh doch - er ist geblieben, was er war: Ein Strohhalm. Deine ganze Wut hat daran nichts ändern können. Sicher, es ist leicht, einen Strohhalm zu knicken. Und du denkst: Was ist schon ein Kind, wo wir einen starken Helfer brauchen. Aber ich sage dir: Aus diesem Kind wird ein Mann, und der wird nicht totzukriegen sein. Er wird die Wut der Menschen aushalten, ertragen und bleiben, was er ist:
Gottes Retter für uns - Nein, Gott Liebe ist nicht kleinzukriegen.“
Quelle: Willy Hoffsümmer, 77 Herzensfenster. Geschichten, die gut tun. M.Grünewald-Verlag 2009, S. 125