Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,
In seinem Buch „Die Wasserträger Gottes“ erzählt der jüdische Schriftsteller Sperber, wie sehr die armen Bewohner seines Heimatstädtchens das Kommen des Messias herbeigesehnt hätten. Der Großvater sei oft vom Essen aufgesprungen und auf einen nahen Hügel gerannt, um nach ihm Ausschau zu halten. Und die Kinder hätten geübt, so lange wie möglich auf den Händen zu stehen und zu gehen. Sie hatten nämlich gelernt, dass der Messias, wenn er kommt, die Welt auf den Kopf stellt - und den Ungeübten würde das, so glaubten sie, viele Schwierigkeiten bereiten.
„Messianische Gymnastik“ nannten die Kinder ihr Spiel.
Was können wir von diesen Kindern als adventliches Trainingsprogramm lernen.
Zum einen Lockerungsübungen für den Mund: damit wir ihn im rechten Augenblick schließen, damit wir schweigen und still werden können - denn im Lärm und in der Geschwätzigkeit findet Jesus keinen Zugang zu uns.
Damit ich meinen Mund aber auch öffnen, wo es nötig ist; damit ich ein mündiger Christ werde, der für andere gute Worte findet.
Lockerungsübungen für die Augen: damit wir sie schließen, wenn wir von Bildern und Eindrücken überflutet werden. Damit wir immer wieder nach innen schauen - denn so entdecke wir vielleicht die Spur Jesu in unserem Leben, wenn ich mit dem Herzen sehe.
Damit ich meine Augen aber auch weit aufmachen kann. Damit ich wach bin für das, was um mich herum geschieht, und hellsichtig für andere, die mich brauchen.
Und schließlich Lockerungsübungen für die Ohren: Damit wir sie offen halten für das, was andere uns sagen und uns fragen wollen. Damit auch die Zwischentöne und die leisen Töne noch bei uns ankommen.
Damit wir unsere Ohren aber auch im rechten Augenblick schließen. Damit wir in uns hinein hören Adventliche Gymnastik, Lockerungsübungen für Mund, Augen und Ohren - damit wir in diesen Tagen des Advents beweglich bleiben.
(Gedanken aus Wolfgang Raible, 100 Kurzansprachen, Herder, 2009)