Eingesperrt
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer.
Ein Mann, enttäuscht vom Leben und seinen Mitmenschen, beschloss eines Tages, sich von der Welt zurückzuziehen. Er legte sich einen Vorrat an Nahrungsmitteln und Getränken zu, dann suchte er schwere Felsbrocken für die Wände, massives Holz für das Dach und starken Stahl für eine Tür ohne Schloss und baute ein stabiles Haus um sich herum. Jetzt kann niemand zu mir herein und mich verletzen, dachte er nach getaner Arbeit. Ich bin in Sicherheit.
Es ist ziemlich einsam hier drin, stellte er nach einigen Tagen fest. Da schloss er die Augen und atmete langsam ein und aus. Nach einer Weile fragte er sich, was das Atmen noch für einen Sinn hatte. Niemand konnte zu ihm kommen, ihn verletzen und enttäuschen, aber auch keiner würde mit ihm lachen, Purzelbäume schlagen und ihm Wärme schenken. Der Mann merkte, dass er einen fatalen Fehler begangen hatte. Er hämmerte gegen die Steine, doch nichts passierte, die Wände waren zu gewaltig. Weinend hockte er in seinem selbst gebauten Gefängnis.
Nach einiger Zeit schaute er durch einen winzigen Spalt hinaus. Er sah einige Menschen geduckt durchs Leben schleichen, andere wiederum lachten fröhlich in den Tag. Während der Mann sie beobachtete, erwachten in ihm Mitgefühl und Liebe. Da begannen die Steine ringsumher zu bröckeln, die Wände gaben nach und stürzten schließlich ein.
Voll Freude eilte der Mann nach draußen und lief auf die anderen zu, um mit ihnen zu lachen, zu weinen und zu leben.
Liebe Hörerinnen und Hörer, ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, bereichert durch viele Begegnungen mit ihren Mitmenschen.
Edda Blesgen