Wenn man mit Höchstgeschwindigkeit durch die ausgefahrenen Wege des Alltags rauscht, dann kann man keine intensiven Seitenblicke nach links und rechts wagen. Am unerwarteten Ende der Straße dagegen werden sie unausweichlich.
Roger Ciceros persönliche Vollbremsung erfolgte, zwangsläufig, mit der Trennung von seiner langjährigen Freundin, der Mutter des gemeinsamen Sohnes. In dieses Ende der eigenen Lebenssituation platzte dann der Gedanke an die eigene Endlichkeit, als ein guter Freund ihn direkt vom Krankenhausbett aus anrief, kurz vor einer eilig anberaumten OP. Die Räder standen plötzlich still.
Diese Momente des Innehaltens gibt es immer wieder. Einmal war Roger Ciceros Karriere fast beendet, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Sein Arzt stellte ihn vor die Wahl zwischen Stimme und Zigaretten, Roger entschied sich für Ersteres und verzichtete fortan auf Alkohol und Nikotin und resümiert: "Der Mensch ist merkwürdig: Er lebt, als würde er nie sterben, und dann stirbt er und hat nie wirklich gelebt. - So ähnlich hat es der Dalai Lama einmal ausgedrückt. Ich bin kein Buddhist, aber mit diesem Satz kann ich viel anfangen: Man nimmt das Leben oft so selbstverständlich, dass man es fast aus den Augen verliert."
Roger Cicero holt weit aus, wenn er von seinem neuen Album spricht. Denn alles darauf hat - mehr noch als die vier erfolgreichen Vorgänger - mit seiner Person zu tun, mit dem, was war, und mit dem, was kommt. Die Themen seiner neuen Songs zieht Roger Cicero aus sich selbst, aus Gedanken und Erlebtem. Doch was er daraus macht, ist keine introspektive Rückschau, sondern allgemein gültig: Ein Blick nach vorn im klaren Bewusstsein dessen, was war.
Der eindringlichste Moment des Albums entsteht in "Frag nicht, wohin", vordergründig ein Versuch, das Auseinandergehen der Eltern mit den Augen des Sohnes zu sehen, dahinter aber auch ein Ringen mit den Gespenstern der eigenen Kindheit und ein Eingeständnis des Scheiterns als Vater, der eigentlich alles besser machen wollte.
Rio Reisers "Straße" ist der einzige nicht aus eigener Feder stammende Titel - dafür aber der erste, den Roger Cicero in die engere Wahl nahm, noch bevor er überhaupt mit dem Songwriting für sein neues Werk begann: "Ich bin schon immer ein großer Verehrer von Rio Reiser. Und in "Straße" bringt er die Gefühls- und Gedankenwelt nach einer Trennung auf völlig unprätentiöse Weise dermaßen auf den Punkt, dass es mich immer wieder schüttelt. Es war nicht ganz leicht, ein Stück von nur zwei Akkorden in ein jazziges Gewand zu bekommen, aber die Mühe hat sich gelohnt."
Roger Cicero - offizielle Homepage
Sendetermine
Sonntag, 13. März: 13:00 - 14:00 Uhr
Samstag, 19. April: 10:00 - 11:00 Uhr
Alle Infos rund um Sendetermine, Stargäste und Interviews finden Sie auch auf Facebook
Foto: BRF